Dr. Eisenhart von Loepers Brief an den Bahnvorstand

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  • Erstellt am 6. Juli 2016

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Dazugehörige Pressemitteilung

Grafik über Kosten des Ausstiegs und Weiterbaus von S21


Inhalt dieses Dokumentes:

Zwingende Gründe für den Bau- und Vergabestopp beim Bahnprojekt Stuttgart 21 und Fristsetzung zur Vermeidung (weiterer) strafbarer Untreue

Sehr geehrter Herr Dr. Kefer,

in meiner anwaltlichen Funktion und als Sprecher des Aktionsbündnisses fordere ich Sie persönlich und den Vorstand der DB AG hiermit auf,

1. einen sofortigen einstweiligen Bau- und Vergabestopp bezüglich der Umsetzung des Bahnprojekts Stuttgart 21 zu beschließen,

2. für die Umsetzung dieser Entscheidung gegenüber allen Beteiligten im Monat Juli 2016 Sorge zu tragen,

3. dem Aufsichtsrat der DB AG für dessen nächste Sitzung am 7.09.2016 aus zwingenden Gründen die Projektbeendigung von S 21 vorzuschlagen und Verhandlungen mit den Projektpartnern einzuleiten für den Umstieg auf den sanierten Kopfbahnhof.

Begründung:
Am 13. Juni 2016 fand in Stuttgart eine Pressekonferenz zur erneuten Krise beim Bahnprojekt S 21 statt, der das Teilgeständnis des bis auf 15 Mio. Euro aufgebrauchten Risikopuffers und die zweijährige Bauzeitverzögerung betraf. Die PK fand ein vehementes Medienecho. Meinen Beitrag dazu lege ich bei, weil er hervorhebt

a) die Brüchigkeit Ihrer Teilgeständnisse,

b) den zwingenden Grund des Umstiegs von S 21, sobald Sie wissen, dass der Aus- und Umstieg geringere Kosten verursacht als der Weiterbau von S 21,

c) die für alle Freunde der Bahn wichtige Botschaft nennt, die dramatischen Kosten – und Verzugssignale als Chance für den Umstieg wahrzunehmen.

An dieser Stelle soll es nur darum gehen, auf der Basis Ihrer aktualisierten Berechnung der Projektkosten von 6,511 Milliarden Euro festzustellen, ob die Ausstiegskosten in diesem Falle niedriger sein werden als der Weiterbau des Projekts. Zu erinnern ist aber daran, dass der Finanzierungsvertrag zu S 21 vom 2.04.2009 die Projektkosten mit etwa 3,1 Mrd. Euro veranschlagte und einen Risikopuffer von 1,45 Mrd. Euro enthielt, so dass nach sieben Jahren bis heute eine Kostensteigerung um 3,4 Mrd. Euro bis 6,5 Mrd. Euro eingetreten ist. Geradezu aberwitzig erscheint es daher, für weitere jetzt eingeplante sieben Jahre nicht wenigstens ein bis zwei Milliarden Euro Kostensteigerung zugrunde zu legen, das wären dann 7,5 bis 8,5 Mrd. Euro Projektkosten.

Zum Kostenvergleich übersende ich Ihnen eine Grafik des Sachverständigenbüros VIEREGG RÖSSLER GmbH vom 29.06.2016 mit dem Titel „Stuttgart 21:

Kosten Ausstieg versus Kosten Weiterbau“. Von den Ihrerseits für erforderlich gehaltenen rund 6,5 Mrd. Euro Projektkosten sind 1,5 Mrd. Euro für schon geleistete Investitionen für S 21 anzunehmen und eingesparte Sanierungskosten für die Kopfgleise mit 400 Mio. Euro zu berücksichtigen (auch wenn diese Kosten erst die nächsten 30 Jahre anfallen) – siehe dazu auch das Gutachten Dr. Vieregg zur Ermittlung der Ausstiegskosten vom 10.02.2016, S. 5 ff., 18.

Nach der dementsprechend von Dr. Vieregg erstellten und vorgelegten Grafik enthält die linke Säule dementsprechend Kosten des Ausstiegs aus S 21 von 1900 Mio. Euro.

Dann ergibt sich folgende Kostensituation:
Zugestandene Projektkosten 6,5 Mrd. Euro - abzüglich Kosten des Ausstiegs 1,9 Mrd. Euro - ergeben wirtschaftlichen Vorteil des Ausstiegs von 4,6 Mrd. Euro

Selbst wenn man für die Erneuerung des Kopfbahnhof entsprechend der Grafik von Dr. Vieregg bis zu weitere 2200 Mio. Euro einsetzt (das sei nur als Beispiel genannt) und insgesamt unter Einschluss schon erbrachter oder geschuldeter Investitionen 4,1 Mrd. Euro berechnen würde, bliebe der Ausstieg im Vergleich hierzu – bei nur 6,5 Mrd. Projektkosten - noch 2,4 Mrd. Euro günstiger als der Weiterbau von S 21. Dann wäre aber der Kopfbahnhof voll ertüchtigt mit einer Leistungsfähigkeit von 72 Zügen pro Stunde, mit unterirdischem Busbahnhof und um zwei Minuten kürzerer Fahrzeit nach Ulm gegenüber dem Fildertunnel.

Die Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat bisher (siehe die Verfügung vom 16.07.2015, www.strafvereitelung.de) Ihnen gegenüber von einer strafrechtlichen Verfolgung des Vorwurfs der Untreue nach § 266 StGB abgesehen, weil nicht bewusst gewesen sein müsse und nicht sicher in Kauf genommen worden sei, dass ein Ausstieg aus dem Projekt Stuttgart 21 mit geringeren Kosten verbunden sein würde als dessen Fortführung.

Nach der oben beschriebenen Konstellation ist Ihnen diese Lage jetzt aber bewusst. Der Unterschiedsbetrag von 4,6 Mrd. Euro ist kein Pappenstil. Daraus müssen Sie und der Bahnvorstand jetzt die eingangs bezeichneten Konsequenzen ziehen. Alles Andere würde Sie und Ihre Vorstandskollegen in Konflikt zum Straftatbestand der Untreue bringen.

Allein um der Sache willen und im Interesse des Allgemeinwohls würde ich nicht zögern, erneut die Staatsanwaltschaft Berlin mit dem Vorgang zu befassen, wenn Sie und der
Vorstand dennoch untätig bleiben sollten.

Uns im Aktionsbündnis ist klar, dass die geforderte Weichenstellung des Bau und Vergabestopps grundlegend, aber unerlässlich ist:
Es wäre unsinnig, den Dingen bis zur Aufsichtsratssitzung am 7.09.2016 ihren Lauf zu lassen, wenn sicher ist, dass das Wohl der DB AG dadurch mit wenigstens Zig-Millionen Euro weiter geschädigt wird.

So hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21.12.2005 (3 StR 470/04, BGHSt 50,343 f. Rn 13) festgestellt, für Präsidiumsmitglieder einer Aktiengesellschaft gehöre das „Gebot, alle Maßnahmen zu unterlassen, die den Eintritt eines sicheren Vermögensschadens zur Folge haben, … zu den Treuepflichten, die ein ordentliches und gewissenhaftes Präsidiumsmitglied (§ 93 Abs. 1 Satz 1, § 116 Satz 1 AktG) zwingend zu beachten hat. Diese aktienrechtliche Pflicht stellt sich im Sinne des § 266 StGB als Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen dar“(BGH aaO mit Bezug auf BGHSt 47, 187, 200 f. m.w.N.).

Es liegt nun an Ihnen, sich, der Deutschen Bahn AG und dem Allgemeinwohl einen klugen Dienst zu erweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Eisenhart von Loeper

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