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Gerät Stuttgart 21 wegen erwiesener Unwirtschaftlichkeit ins Wanken?
Gutachter fordert Ermittlungen gegen DB-Verantwortliche wegen Untreue
Der Mannheimer Strafrechtler Prof. Jens Bülte hält Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft gegen die Bahnverantwortlichen wegen strafbarer Untreue bei ihren Weiterbauentscheidungen zu Stuttgart 21 für dringend geboten. Das ist das Ergebnis eines umfangreichen Gutachtens mit einer Vielzahl von Belegen und etwa 300 Seiten Materialien, das das Aktionsbündnis heute veröffentlichte. Bülte erklärt mit Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: „Nach Art eines Spielers und entgegen den Regeln der kaufmännischen Sorgfalt“ habe man bei S21 „eine äußerst gesteigerte Verlustgefahr“ auf sich genommen, um einer „höchst zweifelhaften Gewinnaussicht“ willen. Auch der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Wolfgang Neskovic, bestätigte in einer schriftlichen Erklärung, dass Ermittlungen wegen Untreue „evident“ geboten seien.
Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sieht sich in seiner Rechtsauffassung damit von unabhängigen Juristen hohen Ranges bestätigt. Bündnissprecher und Rechtsanwalt Eisenhart von
Loeper fordert nun, nachdem auch Bahnchef Richard Lutz laut Presseberichten die Unwirtschaftlichkeit von Stuttgart 21 am 18. April im Verkehrsausschuss des Bundestages
eingestanden habe, die Justiz müsse dem „Weiterwursteln“ strafrechtliche Schranken ziehen. Es gehe hier um mehr als einen Skandalbahnhof in Stuttgart. Die fehlende strafrechtliche Ahndung
kapitaler Fehlentscheidungen sei einer der wesentlichen Gründe für das Scheitern von Großprojekten in Deutschland. Neskovic erwartet daher, „dass die Berliner Staatsanwaltschaft sich den sicherlich schwierigen und umfangreichen Ermittlungen mit professionellem Engagement widmet. Dabei vertraue ich darauf, dass die neue Generalsstaatsanwältin Frau Koppers und der Grüne Justizsenator Behrendt die ihr durch das Gerichtsverfassungsgesetz zugewiesene Leitungs- und Aufsichtsverantwortung für die ihnen unterstellten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wahrnehmen.“
Dies sei dringend geboten, so Dieter Reicherter, ehemaliger Vorsitzender Richter einer Strafkammer am Stuttgarter Landgericht, nachdem die Staatsanwaltschaft Berlin im laufenden
Anzeigeverfahren durch „besondere Nähe“ zur DB AG aufgefallen sei und sich, so Gutachter Bülte, ohne gesicherte Fakten und damit gesetzwidrig hinter eine „unternehmerische
Ermessensfreiheit“ zurückgezogen habe. Bülte bescheinigt den Entscheidern der Bahn teils „schwere Pflichtverletzungen“ in den unterschiedlichen Phasen des Projekts vom Vertragsschluss
bis zur jüngsten Kostenanhebung auf 8,2 Mrd. Euro.
Die Politik muss jetzt ernsthaft die Option eines Umstiegs von S21 prüfen. Dass das Umstieg21-Konzept in Kürze im Verkehrsausschuss des Bundestages vorgestellt werden soll, sei ein erster
Schritt der Offenheit. Dem müssen nun ernsthafte Diskussionen und Konsequenzen auf allen politischen Ebenen folgen. Es sei geradezu schizophren, dass namhafte Politiker das Projekt in
Grund und Boden kritisieren und im gleichen Atemzug einen Weiterbau fordern.
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