S06-26 – 2018-07-25 – Gegenvorstellung an Generalstaatsanwältin Margarete Koppers und Justizsenator Dr. Dirk Behrendt

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  • Erstellt am 25. Juli 2018

Mit Schreiben vom 25. Juli 2018 sendet Dr. Eisenhart von Loeper an Generalstaatsanwältin Margarete Koppers und den Justizsenator Dr. Dirk Behrendt eine Gegenvorstellung auf neun Seiten:

 

Gegenvorstellung gegen Ihren Bescheid vom 21.06.2018, fertig gestellt am 5.07.18, zugestellt am 11.07.18

 

Sehr geehrte Frau Generalstaatsanwältin Koppers,

sehr geehrter Herr Justizsenator Dr. Behrendt,

 

gegen die mir am 11.07.2018 zugestellte Entscheidung erhebe ich hiermit folgende

 

Gegenvorstellung:

 

I.

 

Es geht um die staatsanwaltliche Pflicht zur Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen im Sinne des Anfangsverdachts. Dabei muss es nach kriminalistischen Erfahrungen aufgrund konkreter Tatsachen als möglich erscheinen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt.

Werden Ermittlungen aber allein mit dem Argument abgelehnt, die Beschuldigten hätten die Schadensfolgen nicht „gebilligt“, so erstaunt und befremdet dies doppelt: Worauf gründet die Rechtsaufsichtsbehörde ihr Urteil, ohne dieser Fragestellung trotz der Schwere des Tatvorwurfs der Untreue durch aufklärende Ermittlungen nachzugehen? Und warum verweigert sie trotz der Fülle diesseits mitgeteilter Fakten und vorgetragener Beweisangebote, den Sachverhalt zusammenhängend aufzuarbeiten?

 

II.

 

Eine Untätigkeit der Rechtsaufsichtsbehörde in diesem Fall widerspricht deren Leitungsaufgabe. Nach  dem Gesetz haben Staatsanwälte „den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nach-zukommen“. Und das „Recht der Aufsicht und Leitung“ steht der Landesjustizverwaltung hinsichtlich ihrer Landesbeamten zu (§§ 146, 147 GVG). Es versteht sich, dass diese Lenkungsaufgabe nur im Rahmen der staatlichen Bindung an Gesetz und Recht zum Zuge kommen darf (Art. 20 Abs. 3 GG).  Allein mithilfe des Ihnen zustehenden Weisungsrechts können Sie die notwendige Einheitlichkeit staatsanwaltlicher Aufgabenerfüllung, insbesondere eine einheitliche Einstellungs- und Anklagepraxis gewährleisten und dafür Sorge tragen, dass die staatsanwaltliche Entscheidung von nicht justizgemäßen, sachfremden Erwägungen freigehalten wird ( Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Aufl. 2010, Rn 14-20 mit Nachweisen zu § 146 GVG). Zugleich ist gerade vorliegend die politische Verantwortung gefragt: Es könnte für das Ansehen und die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaats und für Ihre Wächterfunktion als  Justizsenator ein Meilenstein sein, wenn Sie – anders als noch Ihr Amtsvorgänger - darauf einwirken, dass der Gleichheitssatz bei S 21 beachtet wird.

Kommt es aber trotz konkreter Tatsachen, die nach kriminalistischer Erfahrung den Anfangsverdacht einer möglichen Straftat der Untreue begründen, zu keinen strafrechtlichen Ermittlungen und sind die davon Begünstigten, wie beim Großprojekt Stuttgart 21, hochrangige Personen des öffentlichen Lebens, so erzeugt dies eine doppelte Irritation. Erst jüngst sprach Dr. Thilo Sarrazin bei seiner Anhörung als früherer Bahn-Vorstand und als Gutachter vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages:  Stuttgart 21 sei ein aus „völlig irrationalen Gründen“ gefördertes „politisches Lieblingsprojekt“. Das wird indirekt durch Bahnchef Dr. Richard Lutz und durch eine Kette weiterer Aussagen und Dokumente von Insidern der kritischen Vorgänge ähnlich klar beschrieben. Erhärtet sich die hieraus folgende Vermutung, dass von Anfang an sachfremde politische Faktoren bei S 21 eine maßgebende Rolle spielten, dann muss der funktionierende Rechtsstaat dagegen durch die dafür berufenen Organe vorgehen. Würde die Strafverfolgungsbehörde dennoch keine Ermittlungen einleiten, hieße es „Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen“.

Das wäre wirklich schlimm. Daher muss das korrigierende Einschreiten der Rechtsaufsicht zu strafrechtlichen Ermittlungen führen. Das Gesetz verpflichtet dazu. Und es  ermöglicht sogar dem oder der Vorgesetzten, die Ermittlungstätigkeit selbst zu übernehmen oder „einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen“ (§ 145 GVG).

 

III.

 

Näher einzugehen ist auf die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft, die Aufnahme von Ermittlungen wegen Tatverdachts der Untreue gegen die Entscheider der Deutschen Bahn AG zu verweigern, weil sich eine vorsätzliche Untreue auf die endgültige Realisierung des Schadens erstrecken müsse, wofür aber zureichende tatsächliche Anhaltspunkte fehlen würden. Diese Rechtsauffassung ist nicht nur strittig und vom Bundesverfassungsgericht nicht geteilt, sondern sie rechtfertigt gerade nicht, Ermittlungen deshalb zu unterlassen:

 

1. Der BGH, 1. Strafsenat, widerspricht explizit  diesem Ansatz, der zu einer überschießenden Innentendenz entgegen dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes führt, klar (BGH Urt. vom 21.2.2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144 (154 f.) mit den Feststellungen: „Allein auf den unmittelbar mit der Vermögensverfügung des Getäuschten eingetretenen tatbestandlichen Schaden muss sich das voluntative Element des Vorsatzes des Täters erstrecken. Auf die Billigung eines eventuellen Endschadens kommt es nicht an.“

Diese Rechtsauffassung  ist unseres Erachtens schon deshalb richtig, weil nur so erklärt werden kann, dass der Gefährdungsschaden ein Vermögensnachteil i. S. d.      § 266 StGB ist. Die gegenteilige These, auf die sich die Generalstaatsanwaltschaft im Beschwerdeentscheid beruft und die aus der Kanther/Weyrauch-Entscheidung (BGH Urt. v. 18.10.2006 – 2 StR 499/05, BGHSt 51, 100 (121 ff.) stammt, führt daher zu massiven strafrechtsdogmatischen und letztlich wohl auch verfassungsrechtlichen Friktionen.

2. Als weiterer Punkt ist anführen, dass die Generalstaatsanwaltschaft mit ihrer Auffassung ein wesentliches Problem nicht gesehen hat: Die grundlegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Schadensbegriff in der Untreue  (vgl.  BVerfG Beschl. v. 23.6.2010 – 2 BvR 2559/08, 105, 491/09, BVerfGE 126, 170 ff) hat den Straftatbestand der Untreue zwar auch eingeengt, aber nur dahingehend, dass  der Vermögensschaden beziffert werden muss. Weil hiernach Untreue nicht mehr durch erhöhte Anforderungen im subjektiven Bereich des Beschuldigten einzuschränken ist, sind davon abweichende Meinungen der Gerichte genau genommen hinfällig.

3. Unabhängig davon ist nicht nachvollziehbar, warum die Beteiligten nicht erkannt und billigend in Kauf genommen haben sollen, dass ein endgültiger Schaden eintreten wird. Es geht damit nicht um das Endresultat des Schadens durch Stuttgart 21, sondern um jede bereits quantifizierbare Vermögensminderung, die nicht durch gleichzeitig eintretende wirtschaftliche Vorteile für das betreute Vermögen kompensiert wird. Kommt es in diesem Sinne darauf an, dass die Entscheider die Unwirtschaftlichkeit des Projekts erkannt und sich damit abgefunden haben, kann das nicht heißen, dass hierzu nicht ermittelt werden müsste.

Es wäre genau diese Frage nach dem voluntativen Vorsatzelement zu beantworten gewesen: Haben die beteiligten Entscheidungsträger ernsthaft darauf vertraut, dass bei diesem Projekt kein endgültiger wirtschaftlicher Schaden entstehen werde?

Wir fragen also:  Aus welchen konkreten Tatsachen hat die  Generalstaatsanwalt-schaft ihre Annahme abgeleitet, die Beschuldigten hätten die Realisierung der Schädigung nicht gebilligt? Aus diesseitiger Sicht sprechen jedenfalls alle vorliegen-den und vorgelegten Tatsachen dafür, dass die Entscheidungsträger den Schadens-eintritt billigend in Kauf genommen haben:

a)     So hat der Vorstandsvorsitzende der DB AG Dr. Richard Lutz am 23.03.2017, dem Tage nach seiner Wahl in dieses Amt, nachweisbar auf ausdrückliche Frage des Journalisten Henning Zierock erklärt, er sei „finster entschlossen, Stuttgart 21 zu Ende zu bringen“. Die erwähnte Aussage von Dr. Lutz heißt offensichtlich richtunggebend nichts Anderes, als dass dieses Projekt gemäß dem ihm vertrauten politischen Willen der Bundesregie-gierung, die ihn über den Bahn-Aufsichtsrat ins höchste Amt brachte, durchgezogen werden wird, ungeachtet aller gesetzlichen Maßstäbe. Dieses Verständnis erschließt sich einem unbefangenen Betrachter aus Folgendem: Dr. Lutz leitet seit 2003  das Finanz-controlling des Bahnkonzerns und ist seit April 2010 Finanzvorstand der DB AG, der dessen Finanzen wie kein anderer kennt. Das gilt auch für den Konflikt um S 21. Der  diesseitige Sachvortrag mit Nachweisen und Beweismitteln im Schriftsatz vom 15.01.18 Seite 5 bis 10 gehört in diesen Zusammenhang, denn daraus erschließt sich der Sinn der „finsteren Entschlossenheit“. Der Beschwerdeentscheid versagt sich dieser aufschluss-reichen, in der Strafanzeige vom 5.05.2017 erläuterten Tatsache, weil er seine Sicht zur Frage des bedingten Schädigungsvorsatzes fälschlich auf den Zeitraum „in der zweiten Jahreshälfte 2016 und bis zum 22. März 2017“ begrenzt (Bescheid, S.2), als ob es die weiteren Tatvorwürfe insbesondere in den Schriftsätzen vom 30.03. und vom 5.05.2017 nicht geben würde. Dies ist unhaltbar.

b)     Den vorgenannten Sachverhalt hat Dr. Thilo Sarrazin, ehemals Berliner Finanzsenator, der 1982 bis 1989 Referatsleiter für Finanzfragen des Bundesverkehrsministeriums ( u.a. für Verkehrsbeteiligungen und Bundesbahn) und in den Jahren 2000/2001 Vorstand der DB Netz AG war, neuerdings entscheidend bekräftigt. Näheres ist in der Parallelsache 121 Zs 591/18 der Generalstaatsanwaltschaft Berlin im Schriftsatz vom 14.06.2018 Seite 2 ausgeführt und belegt worden, worauf Bezug zu nehmen ist.  Hiernach waren es „äußerst irrationale Gründe“, Stuttgart 21 als „politisches Lieblingsobjekt“ realisieren zu wollen, obwohl es von Beginn an von Seiten der DB AG als höchst unwirtschaftlich erkannt wurde. Offenbar in der Absicht, sich vom Tatvorwurf der Untreue zu entlasten, hat denn der Vorstandsvorsitzende Richard Lutz am 18.04.2018 auch in der Pose der Unschuld vor dem Verkehrsausschuss des Bundestages beteuert, „man würde mit dem Wissen von heute das Projekt nicht mehr bauen“.

c)      Die vorbezeichnete Unschuldsbehauptung des Tatverdächtigen Lutz ist unglaubwürdig: Das folgt besonders daraus, dass die Projektentwicklung von S 21 seit 2009 – vor und nach Abschluss des Finanzierungsvertrags -  eine Kette fortgesetzter Pflichtwidrigkeiten und Schadensfolgen aufweist, die im vorgelegten Rechtsgutachten von Prof. Dr. Jens Bülte einschließlich der einschlägigen Anlagen ausgewiesen sind (S. 2-10, 16-21). Es verletzt unser Rechtsempfinden und mutmaßlich auch das einer größeren Öffentlichkeit, wenn die von Prof. Dr. Bülte als einer unabhängigen  Autorität des Wirtschaftsstrafrechts genannten Fakten übergangen werden, zumal dessen Ergebnis von Wolfgang Neskovic, BGH-Richter a.D. im Sinne „evident“ gebotener Ermittlungen geteilt wird. Jedenfalls lässt es sich nicht rechtfertigen, die neuen Tatsachen wegen früherer Entscheidungen der Staatsanwaltschaft nicht aufzuklären, worauf der Beschwerdeentscheid jedoch abhebt.

Die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft von 2013 bis 2015 sind gerade  im Lichte jetzt bekannt gewordener neuer Tatsachen zu hinterfragen. Das betrifft besonders das Gutachten von Prof. Bülte, Aussagen der DB-Insider Dr. Sarrazin, ehemaliger Amtschef Verkehrsressort Baden-Württemberg, Dr. Bäumer, zumal seit 2009 begangene Straftaten nicht verjährt sind ( Prof. Bülte, GA S. 24).  So hat  Dr. Bäumer  am 12.12.2017 das jahrelange „Herunterreden und Verschweigen der Fakten und Risiken“ durch die Bahnspitze bei S 21 scharf angegriffen (Beschwerdeschrift S. 14). Zwei Höhepunkte dieser schwerwiegenden Pflichtverstöße sind hervorzuheben:  Jene 891 Millionen Euro illusionärer „Einsparpotentiale“ (Dez. 2009) – siehe diesseits vorgelegte Nachweise und Gutachten Prof. Bülte hierzu – sowie der Beschluss des  Aufsichtsrats vom 5. März 2013 zum Weiterbau von S 21 trotz zwei Milliarden Euro  Kostensteigerung und nachgewiese-ner Unwirtschaftlichkeit. Allein schon diese Fakten weisen darauf hin, dass sich Vorstände und Aufsichtsräte der DB AG dem sachfremden politischen Verlangen der Bundesregierung gebeugt und sich mit der damit verbundenen Schädigung der DB AG zumindest abgefunden haben. Soweit zwei der drei Bundesvertreter im Aufsichtsrat dies zur Beibehaltung ihrer hervorgehobenen Stellung in der Bundesregierung getan haben (siehe etwa den Bericht der Wirtschaftswoche v. 18.03.13, S.14 „Anruf beim Minister“),

könnte ferner eigensüchtiges Handeln vorliegen, das der Beschwerdebescheid verneint

d)     In der Strafanzeige vom 15.02.2017 und in der Beschwerdebegründung vom 15.01.2018 werden auf Seite 5 bis 17 umfangreich konkrete Anhaltspunkte vorgetragen und unter Beweis gestellt, die für die billigende Inkaufnahme der Schädigung des Bahnkonzerns aus Gründen sachfremder politischer Einflüsse zur Umsetzung von S 21 bedeutsam sind. Denn das betrifft eine Kette zusammenhängender Verhaltensweisen der Beschuldigten beim gleichen Großprojekt, was den erhobenen Tatverdacht auf brisante Weise verstärkt: So haben z.B. (1) Vorstände und Aufsichtsräte der DB AG am 10.12.2009 (Prof. Bülte fügt dafür das Dokument aus dem Lenkungskreis zu S 21 bei) 891 Millionen Euro „herunter- und schön gerechnet“, um das Projekt nicht zu gefährden (die DB AG bestätigte es am 12.12.2012, Dr. Bäumer 5 Jahre später in der StZ ); (2) das Dossier aus dem Bundesverkehrsressort forderte die „ernsthafte Prüfung von Alternativen zum Projekt bis hin zum Ausstieg“ u.a., weil sich das Projekt als unwirtschaftlich erwiesen hatte (S. 6 Beschwerdebegründung); genau dies alarmierte anschließend die Bundesre-gierung lt. S. 3 des Vermerks vom 5.02.2013;(3) es kam zu fünf amtlichen Vermerken von Dirk Pung-Jakobsen aus dem Bundeskanzleramt in der Zeit vom 4.12.2012 bis 22.02.2013 an den damaligen Kanzleramtschef Ronald Pofalla und an die Bundeskanzlerin wegen      S 21: Zwei davon betrafen Vorbereitungen von Gesprächen für Herrn Pofalla mit Herren Grube und Kefer sowie mit Staatssekretär und Aufsichtsrat Odenwald, drei Vermerke gingen unmittelbar an die Kanzlerin. Allein schon dies und die wiederholte Betonung, etwa im Vermerk vom 5.02.2013 Seite 2 an die Bundeskanzlerin zeigen, wie sehr das Unternehmen speziellen politischen Wünschen unterworfen wurde: „Der Bahnvorstand will an der Verwirklichung des Projekts festhalten und sieht dabei auch die politische Bedeutung der Verwirklichung eines großen Infrastrukturprojekts, zu dem Sie sich wiederholt bekannt haben“.

Beweis: Beiziehung der Akten des Verwaltungsgerichts Berlin (VG 2 K 3.15) mit den darin enthaltenen, teilweise geschwärzten Vermerken, Rechtssache v. Loeper gegen BRD

(4) Im vorgenannten Verfahren, das am 26.05.2016 beendet wurde, sind jene zahlreichen Fakten erläutert und belegt. Insbesondere der Schriftsatz vom 5.05.2017 (21 Seiten) listet die Tatsachen teilweise auch auf Seite 6 bis 10 minutiös auf, die in krassem Maße den Anforderungen des § 93 AktG und der Betreuungspflicht nach § 266 StGB widersprechen. Die Bundeskanzlerin, so hieß es, „dringt auf S 21-Weiterbau“, und andere führende Vertreter der Bundesregierung machten unmissverständlich klar, was zwei bis drei Wochen vor dem Beschluss des Bahn-Aufsichtsrats vom 5.03.2013 vorbehaltlos und eindringlich eingefordert wurde (Anzeige v. 15.02.17 S. 3 f., Beschwerde S. 7-10), und zwar trotz massiv weggebrochener Wirtschaftlichkeit. Das rigide Verhalten von Ex-Kanzleramtschef Pofalla zu MdB Bosbach und der Machtwille der Kanzlerin belegen beispielhaft, dass die im Bahn-Aufsichtsrat tätigen drei  Bundesvertreter wussten, was von ihnen verlangt wurde. Gesetzliche Kontrollorgane wurden gesetzwidrig zu Vollzugs-organen erniedrigt, der Aufseher Staatssekretär Odenwald aus dem federführenden Bundesverkehrsministerium wollte laut Vermerk des Kanzleramts vom 9.01.2013 daher im Gespräch mit Pofalla „eruieren, ob eine Infragestellung des Projekts durch die BReg/Bundesvertreter im AR akzeptabel ist“ (Beschwerdeschriftsatz S. 7). (5) Solche „weisungsähnliche Handlungen“ waren zwar entsprechend §§ 20f. VwVfG unzulässig (siehe Beschwerde S.8 und 9 mit weiteren Nachweisen),  wurden jedoch von Anwalts-kanzlei Redeker, Sellner, Dahs im Namen der Bundesregierung im Schriftsatz vom 2.06.2015 als „in den wesentlichen Punkten zutreffend“ eingestanden.

Beweis: Wie oben

e)     Wenn die Entscheidungsträger aber wiederkehrend pflichtwidrig Investitionen in S 21 verantwortet haben, obwohl dessen Unwirtschaftlichkeit erkennbar vorlag, sprechen alle konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sie die Realisierung der Schädigung, die mit dem Vollzug der Investitionen längst begonnen hat und nicht durch gleichzeitig erreichte  wirtschaftliche Vorteile kompensiert wurde, auch gebilligt haben. Wäre es nicht so, hätten sie den Bau verhindert oder dem Weiterbau Einhalt geboten. Da die Schädigung längst fortschreitend erfolgte, als die DB AG verantwortliche Vorhabenträgerin war, ist der Schadenseintritt  den Entscheidern auch zwingend anzurechnen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Schaden infolge der Unwirtschaftlichkeit des Projekts nach einer etwaigen Fertigstellung und Inbetriebnahme fortlaufend erhöhen wird. Es ist das Kennzeichen der Langzeitschäden dieses Projekts, dass der Nutzen nicht einmalig (wie Bahnchef Richard Lutz mit 2,228 Milliarden Euro „Planverlust“ angab), sondern dauerhaft geringer sein wird als die investierten Kosten. Bei einer Bilanzierung von Nutzen und Kosten darf dies nicht übergangen werden.

 

IV.

 

Nach dem Beschwerdeentscheid sollen strafrechtliche Ermittlungen gegen die Beschuldigten auch deshalb scheitern (S.2), weil sie sich „im hier allein maßgeblichen Zeitraum in der zweiten Jahreshälfte 2016 und bis zum 22. März 2017“ auf das KPMG/Basler-Gutachten hätten stützen können. Eine billigende Inkaufnahme der Schädigung des Bahnkonzerns habe daher fern gelegen. Dem stehen gerade im Lichte neuerer Aussagen von DB-Insidern und Gewährspersonen die oben unter III genannten Tatsachen, aber auch Folgendes entgegen:

 

1.     Das Argument der Generalstaatsanwaltschaft, bei Großprojekten gebe es eben unterschiedliche Einschätzungen von Sachverständigen, geht insofern an der Sache vorbei, als keiner der Sachverständigen gesagt hat, das Projekt sei wirtschaftlich oder ansonsten irgendwie sinnvoll. Im Ergebnis kommt für die hier mitgeteilte Auffassung zum Vorwurf der Untreue dazu, dass sich Beschuldigte mit der Begründung des kritisierten Bescheids sonst immer damit herausreden könnten, sie hätten zwar die Gefährdungslage gekannt, sich aber nicht billigend mit dem Eintritt der daraus folgenden Schädigung abgefunden. Das öffnet der Wirkungslosigkeit der Strafnorm der Untreue Tür und Tor.

2.     Die Berichte des Bundesrechnungshofs mit seiner höchsten Prüfungskom-petenz von Verfassungsrang sind umso mehr einschlägig, als sie sich zwar der Parteinahme für den Ausstieg aus S 21 enthalten, weil sie damit ihre Kompetenz überschritten hätten. Die Position der BRH ist aber dennoch klar, denn er erklärt, ein nicht finanziertes Projekt dürfe nicht gefördert werden (Strafanzeige vom 15.02.17, S. 6). Dessen Aussagen an das Bundesfinanzgremium des Bundestages (Anzeige S.7) sind umso mehr beachtlich, als der BRH die Projektkosten von rund 9,5 Milliarden  Euro und  die Funktionsmängel aufgrund von der DB anerkannter Sachverhalte beurteilt (S. 7 der Anzeige). Damit stimmt der BRH, wenn auch mit anderer Begründung, im Ergebnis mit der Kostenprognose zu S 21 von 9,8 Mrd. Euro der Sachverständigen VIEREGG-RÖSSLER überein. Selbst mit erheblichen Abstrichen davon bleibt  im Falle des Umstiegs von S 21 eine Kostenersparnis von vier bis fünf Milliarden Euro (Anzeige vom 15.02.17, S.10). Es muss den damaligen Bahnchef Grube belasten, dass er – im Wissen um den bevorstehenden Bericht des BRH, S 21 vorbehaltlos, seiner langjährigen politischen Leitlinie folgend, im September 2017 für „unumkehrbar“ erklärte. Mehr noch haben sich die damaligen Vorstände Grube und Kefer und die jetzigen Vorstände Lutz und Pofalla gesetzwidrig jeder ernsthaften, Milliarden Euro sparenden Alternative des Umstiegs von S 21 versperrt. Wer erst einen Abgleich  zwischen dem Votum des BRH und KPMG/Basler ankündigt, dann aber – trotz heftiger öffentlicher Debatte um die Sprengkraft von Anhydrit im Tunnelbau - nur auf Zeitverzug setzt (S. 8, 11 bis 13 der Anzeige v. 15.02.17), handelt in schwerem Maße pflichtwidrig und nimmt dadurch verursachte Schadensfolgen billigend in Kauf.

3.      Allzu vordergründig stützt sich der Beschwerdeentscheid auf das Gutachten von KPMG/Basler, als wenn die Existenz des Gutachtens den Beschuldigten ein Alibi zur Freistellung aus ihrer Haftung bescheren könnte. Mit keinem Wort würdigt der Entscheid die diesseitigen Nachweise auf Seite 11 der Strafanzeige, dass damit keine unabhängige Recherche, sondern nur eine plausibilisierte Parteibehauptung nach den Tatsachenangaben der DB AG – ausgenommen beim Thema Anhydrit - erstellt wurde. Das diesseits den Aufsichtsräten und Vorständen der DB AG vorgelegte Gutachten VIEREGG-RÖSSLER ist daher – zumal angesichts des BRH - durch kein Gutachten gleicher Qualität entkräftet.

4.     Das bedeutet, dass dem damaligen Aufsichtsratschef Dr. Utz-Hellmuth Felcht sowie den ehemaligen und jetzigen Vorständen der DB AG zu Recht eine pflichtwidrige  Untätigkeit vorgeworfen wird, mit der sie die ernsthafte Prüfung von Alternativen zu S 21 unterließen und – gestützt auf nicht valide Fakten von KPMG – den Weiterbau von S 21 ins Uferlose treiben ließen. Sie haben dadurch den Bahnkonzern im Sinne der Untreue geschädigt.

 

V.

Weiter ist noch auszuführen:

 

1.     Nicht nachvollziehbar ist ferner der Einwand, bei der Längsneigung der Gleise und Bahnsteige  des Tiefbahnhofs liege eine entsprechende behördliche Genehmigung vor. Es mag sein, dass dies die Schwere der Schuld mindert. Prof. Bülte bezieht sich aber in seinem Gutachten auf Seite 30 darauf, dass BahnDir. Dipl.-Ing. Sven Andersen begründete Einwände gegen die Unabhängigkeit der behördlichen Entscheidung im Planfeststellungsbeschluss zu S 21 erhebt:  Die beschuldigten  Entscheider kannten sie, setzten sich aber gleichwohl darüber hinweg. Erschwerend tritt hinzu: Durch Auskunft  der Bundesregierung waren den Beschuldigten zahlreiche Körperverletzungen von Bahnreisenden aus dem Kölner Bahnhof bei mehrfach geringerem Gefälle von 3,6 bis 6,8 Promille der Bahnsteige bekannt (siehe S. 5 f. mit Anlage 35, BT-Dr. 18/5366, des Schriftsatzes vom 30.03.2017). Hiernach ist sicher: Das mehrfach stärkere Gleisgefälle von über 15 Promille weicht um das Sechsfache von der regulären Obergrenze ab. Und es erzeugt eine noch größere Gefährdung der Reisenden, aber auch von Rollstuhlfahrern und Kleinkindern in Kinderwägen. Das ist mit dem  Verfassungsgrundsatz vorbeugender Gefahrenabwehr für Leib und Leben der Menschen und mit §§ 2,7 EBO unvereinbar. Auch nach Auffassung des Bundesrechnungshofs  ist eine Inbetriebnahme ohne grundlegend geänderte Planung wegen der Schwere der vorhersehbaren Dauerfolgen daher nicht zu verantworten.

Angesichts der Tatsache, dass es um den staatlichen Schutz höchster Verfassungswerte geht, die strafrechtlich bewehrt und für die vielen Jahrzehnte der Nutzungsdauer des Projekts zu sichern sind, müssen die diesseits vorgetragenen, durch die zitierten Gutachten abgesicherten Einwände unbedingt Gehör finden und Ermittlungen auslösen.

2.     Der Beschwerdeentscheid räumt auf Seite 2 f. ein, dass das vom Bahn-Aufsichtsrat beauftragte KPMG/Basler-Gutachten bei Anhydrit im Tunnel von den Risikobewertungen der DB AG „abweicht“, genauer gesagt (GA S. 50) die Betriebstauglichkeit des Projekts deshalb nach dem Stand der Technik verneint. Die abweichende Sicht kommt vom Ingenieurbüro Wittke, das ständig im wirtschaftlichen Eigeninteresse in das Projekt eingebunden ist  und  das aufgrund des eingetretenen öffentlichen Drucks ein „Maßnah-menpaket“ vorgelegt hat, um ohne langjährig gesicherte Erfahrungswerte potentielle Quelldrücke auf die Tunnelwand aufzufangen (siehe S. 3 des Schriftsatzes vom 30.03. 2017 mit Verweis auf den BRH sowie Beschwerdeschriftsatz S. 22 f.). Schon jetzt lösen die durch Anhydrit bedingten Maßnahmen, unabhängig von deren Wirkungsgrad, somit enorme Kosten aus. Der Tunnelbau im Anhydrit führt daher  zu  einer  quantifizierbaren Vermögensminderung des Bahnkonzerns, die sich fortlaufen erhöht, und zur nach-haltigen Bauverzögerung.

Die messbaren fortlaufenden Schäden auf der Strecke von über 15 km Tunnel werden nicht zugleich durch wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen, sondern bergen die Gefahr, sich langfristig zu erhöhen.  Die Beschuldigten wissen dies seit dem Gutachten des Bauingenieurs Basler und des Geologen Prof. Anagnostou, Universität Zürich, und nehmen es billigend in Kauf. Auch diese Tatsache muss strafrechtliche Ermittlungen auslösen. Zudem besteht bereits jetzt ein konkreter Schaden darin, dass während des Baus, des Betriebs und auch nach Abschluss der auf 100 Jahre geplanten Nutzung ständig aufwändige Maßnahmen erforderlich sein werden, um dauerhaft das Quellen des Gesteins zu verhindern, schlimmstenfalls aber die durch Aufquellen verursachten Schäden wieder zu beseitigen (siehe Beschwerde-begründung S. 22 f.).

3.     Wir haben uns hier auf eine überschaubare Zahl der vorgetragenen Einwände beschränkt, um auf zentrale Aspekte hinzulenken, ohne auf andere, schon vorgetragene Gründe für die Aufnahme von Ermittlungen zu verzichten.

Sollte die Generalstaatsanwaltschaft der vorgetragenen Gegenvorstellung nicht stattgeben, beantrage ich, die Akte Herrn Justizsenator Dr. Dirk Behrendt vorzulegen, um dessen Entscheidung einzuholen. Auf das vorgelegte Votum von Herrn Wolfgang Neskovic, BGH-Richter a.D., in dem er dem Gutachten von Prof. Bülte folgt und Ermittlungen für evident geboten hält und die nach GVG bestehende Lenkungsaufgabe des Herrn Justizsenators bekräftigt, nehme ich besonders Bezug.

 

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