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Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung
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III C 4 - 3133/E/1031/2019
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(Vermittig.) 9013-0
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§ 3a Abs.1 VwVfG: www.eqvD.de
Datum: 2. Mai 2019
Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Dr. Loeper,
auf Ihre an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin gerichtete weitere Dienstaufsichtsbeschwerde
vom 25. Juli 2018 in dem Ermittlungsverfahren gegen Prof. Dr. Dr.
Utz-Hellmuth Felcht u. a. wegen des Vorwurfs der Untreue - 242 Js 258/17 - teile ich
Ihnen Folgendes mit:
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat nach Prüfung Ihres weiteren Vorbringens keine
Veranlassung gefunden, die Ihnen mit Bescheid vom 21. Juni 2018 mitgeteilte Entschließung
abzuändern oder aufzuheben.
Demzufolge sind mir die Akten zur Entscheidung vorgelegt worden.
Nach Prüfung der Sach- und Rechtslage sehe ich jedoch keinen Anlass, Maßnahmen im
Wege der Dienstaufsicht zu ergreifen. Der Ihnen erteilte Bescheid beruht auf zutreffenden
Erwägungen, denen ich beitrete.
Ich weise Ihre Beschwerde daher als unbegründet zurück.
Zur Erläuterung der hiesigen Entscheidung teile ich Folgendes mit:
Die hiesige Prüfung konnte nicht dazu dienen, die Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit
oder auch die Wirtschaftlichkeit des Infrastrukturprojektes "Stuttgart 21" zu bewerten. Gegenstand
der hiesigen Prüfung war allein die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft
vom 21. Juni 2018 und zwar auf Grundlage der konkreten verfahrensgegenständlichen
Tatvorwürfe der Untreue sowie des vorliegenden Beweismaterials unter strikter Beachtung
der tatbestandlichen Vorgaben des § 266 StGB.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ist den vorstehend genannten Vorgaben gefolgt und
.hat zunächst bei der von ihr vorgenommenen Prüfung des Verdachtes einer Untreue in
subjektiver Hinsicht zutreffende rechtliche Voraussetzungen zugrunde gelegt. Zu dem von
Ihnen gegen den Prüfungsmaßstab der Generalstaatsanwaltschaft Berlin in Ihrem Schrift-
satz vom 25. Juli 2018 unter 111. 1 ins Feld geführten Zitat des BGH ist zunächst anzumerken,
dass sich das Zitat nicht an der von Ihnen bezeichneten Stelle befindet, sondern in
der Entscheidung 1 StR 731 /08 vom 18. Februar 2009 (dort Rdn. 17). Dieser Entscheidung
ist indessen unter Rdn. 12-16 eine kritische Würdigung des Begriffes schadensgleiche
Vermögensgefährdung zu entnehmen, die im vorliegenden Fall im Ergebnis Zweifel
an einem tatsächlich eingetretenen Vermögensnachteil schon im objektiven Tatbestand
begründet. Sachgerecht erscheint es indessen - wie dies die Generalstaatsanwaltschaft
Berlin in ihrer Entscheidung vom 21. Juni 2018 ersichtlich getan hat - die in der Entscheidung
des BGH 2 StR 499/05 vom 18. Oktober 2006 entwickelte Rechtsauffassung zugrundezulegen.
Auf diese Weise wird die erforderliche Eingrenzung der Strafbarkeit wegen
Untreue in Fällen eines Gefährdungsschadens erreicht, und zwar insbesondere auch
im Hinblick auf die von Ihnen zitierte Verfassungsgerichtsrechtsprechung (2 BvR 2559/18
vom 23. Juni 2010), in der ausdrücklich vor der Gefahr einer Überdehnung des Tatbestande
der Untreue gewarnt wird (Rdn. 141). Der von Ihnen behauptete Schluss, die genannte
Entscheidung Verfassungsrechtsprechung führe dazu, dass erhöhte Anforderungen
an den Tatnachweis der subjektiven Tatseite aufgrund der vorzunehmenden Einschränkung
des objektiven Tatbestandes hinfällig geworden seien, findet sich in der zitierten
Entscheidung nicht und wird von der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung
auch nicht gezogen.
Vor dem Hintergrund des vorstehend niedergelegten Prüfungsmaßstabes erscheint die
von der Generalstaatsanwaltschaft vorgenommene Würdigung des vorliegenden Aktenmaterials,
in der der Anfangsverdacht einer vorsätzlichen Zufügung eines Vermögensnachteils
verneint wurde, zutreffend. Soweit Sie gegen die Ausführungen der Generalsstaatsanwaltschaft
in dem Schriftsatz vom 25. Juli 2018 unter 111 3.a) die Äußerung des
Beschuldigten Lutz vom 23. März 2017,er sei "finster entschlossen, Stuttgart 21 zu Ende
zu bringen" ins Feld führen, lässt diese für sich genommen einen belastbaren dahingehenden
Schluss, dass der Beschuldigte entschlossen sei "ungeachtet aller gesetzlichen
Maßstäbe" das Projekt "durchzuziehen", nicht zu. Es erschließt sich in diesem Zusammenhang
auch nicht, inwieweit die Ausführungen auf S. 5 -10 Ihres Schriftsatzes vom
15.1. 2018, auf den Sie in Ihrer Beschwerdebegründung Bezug nehmen, zum Beleg für
einen Untreuevorsatz der verfahrensgegenständlichen Beschuldigten dienen können. Die
dort getätigten Ausführungen betreffen Vorgänge im Vorfeld des Bundestagswahlkampfes
2013, die Sie zu dem (nicht belegten) Schluss kommen lassen, dass die Bundeskanzlerin
aus wahlkampftaktischen Erwägungen Druck auf die damaligen Bahnverantwortlichen
ausübte, um die Fortführung des Projektes zu erreichen. Wie sich ein etwaiger politischer
Druck aus dem Jahr 2013 zum Beleg für einen Untreuevorsatz der Beschuldigten in dem
verfahrensgegenständlichen Tatzeitraum ab 2016 ausgewirkt haben soll, ist den von
Ihnen unterbreiteten Überlegungen nicht zu entnehmen.
Schließlich ergibt auch das von Ihnen zur Akte gereichte Gutachten des Univ.Prof.
Dr. Jens Bülte vom 12. April 2018 keine zureichende tatsächliche Grundlage, die eine
Handhabe für staatsanwaltschaftliche Ermittlungen begründen könnte. Hierauf deutet bereits
die in dem Gutachten am Ende unter D. abgebebene abschließende Erklärung hin.
In dieser wird klargestellt, dass der den rechtlichen Betrachtungen zugrundegelegte
Sachverhalt vom Auftraggeber vorgegeben war und nur auf Plausibilität geprüft wurde.
Insbesondere seien naturwissenschaftliche Fragen nicht überprüft worden.
Die recht allgemein gehaltenen Ausführungen in dem Gutachten enden dann auch mit der
Feststellung, dass ..." die Einzelfragen hier einfach zu komplex und die Kostenstruktur für .
den externen Gutachter zu intransparent ..." seien ..
In Anbetracht des vorstehend skiziierten Inhaltes des Gutachtens des Univ.Prof. Dr. Jens
Bülte kann auch die von Ihnen zur Akte gereichte, von dem ehemaligen Richter am BGH
Wolfgang Neskovic verfasste "Erklärung zum Gutachten von Prof. Dr. Jens Bülte zu "Ausgewählten
Untreuefrage im Kontext von Stuttgart 21 und zur Lenkungs- und Aufsichtsaufgabe
des Berliner Justizsenators und seiner Generalstaatsanwältin" keine tragfähige
Grundlage für die Beurteilung eines etwaigen Anfangsverdachts gegen die verfahrensgegenständlichen
Beschuldigten begründen. Die auf einer Seite abgefasste Erklärung lässt
eine eingehende Auseinandersetzung des Verfassers mit dem in Rede stehenden Tatsachenstoff
und eine Grundlage für die pauschalen Akklamationen zur Qualität des Gutachtens
nicht erkennen.
Ihr Vorbringen in Ihren weiteren nach der Beschwerdebegründung vom 25. Juli 2018 erfolgten
Eingaben ist ebenfalls nicht geeignet eine von der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft
Berlin abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Insbesondere ergeben
sich aus Ihrem Schreiben vom 31. Dezember 2018 keine Tatsachen, die eine abweichende
Beurteilung der Faktenlage rechtfertigen könnten. Die Ihnen gegenüber geäußerte
Rechtsmeinung des Geschäftsführers der Projektgesellschaft Stuttgart Ulm (Peter
Sturm) zur Höhe möglicher Schadensersatzansprüche der Bauunternehmer gegen die
Bahn für den Fall eines Baustopps vermag nicht den zwingenden Schluss zu begründen,
dass die Beschuldigten nicht von der Möglichkeit ausgingen, dass im Falle einer Vertragskündigung
möglicherweise höhere Gesamtschadensersatzforderungen aller beauftragten
Unternehmen anfallen, als von Herrn Sturm geäußert. Es ist aus Sicht der betreffenden
Entscheidungsträger der Bahn nicht sicher abzusehen gewesen, auf welchen zivilrechtlichen
Anspruchsgrundlagen und in welcher Höhe von Seiten der Bauunternehmer
für den Fall eines Ausstiegs Schadensersatzforderungen an die Bahn herangetragen
werden. Für die von Ihnen in dem Schriftsatz geäußerte Vermutung, die Kosten möglicher
Schadensersatzforderungen für den Fall des Ausstieges seien mit Wissen der Beschuldigten
aufgrund politischer Vorgaben hochgetrieben worden, sind zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Die weiteren tatsächlichen Ausführungen zu den Risiken
des Tunnelbaus durch Anhydritgestein ect. waren der Generalstaatsanwaltschaft bei
Ihrer Entscheidung bekannt und wurden von dieser berücksichtigt und zutreffend gewürdigt.
Der Generalstaatsanwaltschaft ist ausdrücklich zuzustimmen, dass zu den von Ihnen
wiederholt vorgetragenen Bedenken zu technischen Einzelheiten der Bauausführung und
wirtschaftlichen Prognosen naturgemäß unterschiedliche Ansichten bestehen, die sich
zudem im Laufe der Zeit ändern können. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür,
dass die Beschuldigten des vorliegenden Ermittlungsverfahrens bei ihren verfahrensgegenständlichen
Entscheidungen, den Bau von Stuttgart 21 fortzuführen, bewusst von unrichtigen
bzw. "geschönten" Vorgaben ausgingen, sind nicht aktenkundig geworden.
Soweit Sie in Ihrem Schreiben vom 20. August 2018 darauf verweisen, dass die Generalstaatsanwaltschaft
in ihrem Bescheid vom 21. Juni 2018 "gesetzeswidrig" lediglich einen
möglichen Tatzeitraum von der zweiten Jahreshälfte 2016 bis zum 22. März 2017 gewürdigt
habe und insbesondere Ihre Strafanzeige vom 5. Mai 2017 au ßer Acht lasse, ergab
sich nach Prüfung des Akteninhaltes kein Anlass zu Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht.
Zunächst ist zu bemerken, dass im Hinblick darauf, dass die in Ihren Eingaben geschilderten
Sachverhalte zum Teil Gegenstand weiterer Ermittlungsverfahren waren, eine
Eingrenzung des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes geboten erscheint. Konkretisierte
Tatvorwürfe, die eine strafrechtliche Prüfung ermöglichen, lassen sich im Wesentlichen
Ihrer Strafanzeige vom 15. Februar 2017 entnehmen, in der konkrete Beschlüsse
der Beschuldigten bezeichnet sind, die Ihrer Ansicht nach den Anfangsverdacht einer Untreue
begründen können. Diese möglichen Tathandlungen liegen in dem von der Generalstaatsanwaltschaft
bezeichneten Zeitraum. In der von Ihnen erstatteten Strafanzeige
vom 5. Mai 2017, die ausdrücklich Gegenstand der Einstellungsentscheidung der Staatsanwaltschaft
Berlin vom 10. November 2017 und damit auch der Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft
vom 21. Juni 2018 war, finden sich keine konkreten Handlungen der
nunmehr wegen "des gemeinschaftlichen fortgesetzten Vergehens der Untreue" angezeigten
Beschuldigten Dr. Richard Lutz und Ronald Pofalla. Dies mag der Grund für die
möglicherweise missverständliche Formulierung in dem Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft
gewesen sein. In der Sache ist die Entscheidung, es bei der erfolgten Einstellung
des Verfahrens zu belassen, jedoch nicht zu beanstanden. Denn Ihr Sachvortrag in
dem Schreiben vom 5. Mai 2017 erschöpft sich im Wesentlichen in der erneuten Aufzählung von einer Reihe von Einwänden gegen die technische Machbarkeit des Projekte sowie
von dessen Wirtschaftlichkeit, die im Ergebnis einen Anfangsverdacht gegen die in
Ihrer Strafanzeige vom 5. Mai 2017 angezeigten Beschuldigten ebenso wenig begründen
können wie Ihre früheren Strafanzeigen.
Bezug nehmend auf die in Ihrem Schreiben vom 20.August 2018 geäußerte Bitte um eine
persönliche Unterredung mit Herrn Senator Dr. Behrendt und dem Sachbearbeiter bitte
ich Sie um Verständnis dafür, dass Ihrer Bitte nicht nachgekommen werden kann. Mit
Blick auch auf die Rechte der Beschuldigten auf eine unvoreingenommene Entscheidung
der Strafverfolgungsbehörden und der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz
und Antidiskriminierung als Aufsichtsbehörde enthalten sich die Repräsentanten des Hauses
persönlicher Unterredungen mit den Anzeigenerstattern und auch den Beschuldigten
bzw. deren Vertretern.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Behrend
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