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Wolfgang Neskovic - Richter am Bundesgerichtshof a.D. -
Erklärung zum Gutachten von Prof. Dr. Jens Bülte zu „Ausgewählten Untreuefragen im Kontext von Stuttgart 21“ und zur Lenkungsaufgabe der Rechtsaufsichtsbehörden
Ich teile in vollem Umfang die Ausführungen und rechtlichen Bewertungen von Herrn Professor Dr. Bülte in seinem Gutachten vom 12. April 2018. Das Gutachten überzeugt in jeder Hinsicht. Es bietet der Staatsanwaltschaft Berlin eine hervorragende Grundlage für die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen. Selten dürfte eine Staatsanwaltschaft bei ihrer Arbeit in so vorzüglicher Weise aus der Zivilgesellschaft unterstützt worden sein. Auf der Grundlage des ihm zur Verfügung gestellten Tatsachenmaterials hat Prof. Dr. Bülte mit großer Sorgfalt dieses ausgewertet und stringent argumentierend stichhaltige rechtliche Antworten geliefert. Ich teile auch ausdrücklich seine Auffassung, dass die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen auf der Grundlage des mitgeteilten Tatsachenmaterials „evident“ sei.
Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei dem Gutachten zunächst „nur“ um die Frage der Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen nach §152 Abs. 2 StPO geht. Es geht also zum Beispiel nicht um eine Anklageschrift, sondern darum, ob „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für „verfolgbare Straftaten“ bestehen. Das ist eine relativ niedrige Eingriffsschwelle. Dabei braucht der Anfangsverdacht weder dringend noch hinreichend zu sein.
Ich erwarte, dass die Berliner Staatsanwaltschaft sich den sicherlich schwierigen und umfangreichen Ermittlungen mit professionellem Engagement widmet. Dabei vertraue ich darauf, dass die neue Generalsstaatsanwältin Frau Koppers und der Grüne Justizsenator Behrendt die ihr durch das Gerichtsverfassungsgesetz zugewiesene Leitungs- und Aufsichtsverantwortung für die ihnen unterstellten Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wahrnehmen.
Entgegen weit verbreiteter Meinung, gibt es nach dem Grundgesetz nur die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter und keine Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften: „Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen.“ (§ 146 Gerichtsverfassungsgesetz), und in §147 Gerichtsverfassungsgesetz heißt es zudem unmissverständlich: „Das Recht der Aufsicht und Leitung steht zu: ... der Landesjustizverwaltung hinsichtlich aller staatsanwaltschaftlichen Beamten des betreffenden Landes.“
Damit ist klargestellt, dass die Generalstaatsanwältin und der Justizsenator nicht nur jederzeit das Recht, sondern auch die Pflicht haben, auf die Arbeit der Staatsanwaltschaften im Rahmen ihrer Aufsichts- und Lenkungstätigkeit Einfluss zu nehmen. Ich bin zuversichtlich, dass sie sich dieser gesetzlich zugewiesenen Aufgabenverantwortung stellen und sich nicht – wie andere Politiker – hinter der vermeintlichen Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften verstecken.
Wolfgang Neskovic
Lübeck, 24. April 2018
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